
Zwischen Egos und Exzellenz: Ein Blick hinter die ADC-Jurykulissen
Ideen ohne Auftrag, Preise ohne Wirkung, Egos ohne Ende – lange war die Award-Welt ein Spielplatz für Selbstinszenierung. Nach langem Hin und Her habe ich mich getraut, einen Platz am Jurytisch des ADC einzunehmen und erlebte Momente zwischen Selbsterkenntnis und Selbstreflexion. Weniger Bullshit, mehr Haltung – vor allem bei den Studierenden. Und eine ehrliche Frage bleibt: Für wen machen wir das alles eigentlich – für den Kunden oder doch nur fürs LinkedIn-Profil?
Say NO to Goldideen
Als ich noch in meinen kreativen Kinderschuhen steckte, wunderte ich mich: Agenturen entwickeln also Ideen, nach denen kein Kunde gefragt hat, um sie auf Preisverleihungen einzureichen, wo andere Agenturen diese Ideen dann feiern? Viel zu spät in meiner Werbe-Laufbahn kam die Frage auf, wie sich der Copy-Shop aus der Hamburger Innenstadt eigentlich eine international renommierte Werbeagentur leisten kann. Die Antwort darauf: Gar nicht. Aber so funktionierte es damals eben mit den sogenannten „Goldideen“, den Awards, dem Kreativ-Ranking und den Nägeln, Löwen und Clios.
Viele Agenturen haben sich inzwischen öffentlich dagegen ausgesprochen, kreative Arbeiten für NICHT-Kunden einzureichen, nur um Preise oder Punkte dafür zu erhalten. About damn time … But I digress …
Inzwischen bin ich selbst Teil dieser kreativen Parallelgesellschaft geworden – und darf in diesem Jahr an der ADC-Jurysitzung teilnehmen. Mittlerweile hat sich mein Blick auf dieses absurde Treiben etwas gewandelt – zusammen mit einer Branche, die es bitter nötig hatte. Die Jury-Tage in Hamburg waren intensiv, klug, manchmal inspirierend, im Positiven wie auch im Negativen überraschend – und tatsächlich weniger selbstverliebt, als ich befürchtet hatte.
Das diesjährige Motto: „Leave your Egos behind."
Um dem schlechten Ruf der vergangenen Jahrzehnte den (hoffentlich letzte) Sargnagel zu verpassen, möchte der ADC und vielleicht sogar die gesamte Kreativindustrie nach außen schreien: Egos in der Werbung werden nicht mehr toleriert. Dieser Gedanke schien, zumindest in meiner Jury allgegenwärtig zu sein. Ein Raum voller Profis mit dem gemeinsamen Ziel, gute Arbeit zu würdigen. Es war schön und skurril gleichermaßen, zu sehen, wie die Augen bei einer Idee funkelten und bei einer anderen blankes Entsetzen den Raum durchflutete. Danke nochmal dafür.
ADC: Auf der Suche nach Sinn – und Signalwirkung
Eines sollte man nicht vergessen: Der Art Directors Club steht für kreative Exzellenz der deutschen Kreativindustrie. Für das Beste, was die Branche zu bieten hat. Für mutige Ideen, die – so zumindest die Hoffnung – die Grenzen dessen verschieben, was Kommunikation kann. Aber zwischen uns: Wenn man sich ein paar dieser Arbeiten anschaut, kommt man nicht umhin zu denken, dass der eigentliche Kunde hier der eigene LinkedIn-Algorithmus ist. Was war in der Entstehung wichtiger? Das „Mein Nagel. Mein Löwe. Mein Clio.“-Spiel auf der nächsten Werbeparty oder, dass für den Kunden dank der Kraft guter Ideen ein Meilenstein in der Marke gesetzt, erreicht oder übertroffen wurde? We will never know.
Als Mitglied im Art Directors Club helfe ich zebra und all unseren Kunden dabei am Puls dessen zu sein, was national und international als Maßstab für exzellente Kommunikation gilt. Die Juryarbeit und das Netzwerk im ADC garantieren einen direkten Draht zu den kreativsten Köpfen und den relevanten Diskussionen der Branche. Kurz gesagt: Ich bringe Inspiration mit – und eine feine Antenne dafür, wie aus mutigen Ideen ausgezeichnete Kommunikation werden kann.

Die Jury
Die Jurysitzung selbst ist eine faszinierende Mischung aus Philosophiestunde, Parteitag und Speed-Dating für Meinungen. Bestehend aus zwei ADC Neulingen (Rookies) und einem knappen Dutzend Film- und Animationsprofis. Es wurde stundenlang diskutiert und gefachsimpelt. Aufgrund der spärlichen Einreichungen in meiner Kategorie war man sich schnell sicher, welche Idee eine Auszeichnung verdient hat und welche nicht. Die Bewertungskriterien der Ideen in unserer Kategorie haben zusätzlich noch für etwas Verwirrung gesorgt: „Bewerten wir strikt die Umsetzung/das Handwerk oder soll auch die Idee/das Konzept mitentscheiden, ob eine Arbeit gewinnt?“ Hier war man sich uneinig. War der politisch motivierte Studentenfilm eine Auszeichnung wert aufgrund der wichtigen Thematik trotz schwacher Umsetzung oder nicht?
Speaking of Studierendenarbeiten
Besonders begeistert haben mich – und das meine ich ganz unironisch – die Arbeiten der Studierenden. Frisch, mutig und mit viel Liebe zum Detail. Ich glaube, da spreche ich auch für die ein oder anderen Jury-Mitglieder, wenn ich sage, dass die Studierendenarbeiten fast schon besser waren als die Profi-Einreichungen. Kein Bullshit-Bingo, keine Buzzword-Inflation. Dafür echte Gedanken, echte Haltung und mit viel Liebe und Hingabe ausgedacht und umgesetzt.
Fazit: Ich finde das alles immer noch ein klein wenig seltsam, aber eben nur „ein klein wenig“. Am Ende des Tages bin ich froh, dass ich dabei sein durfte. Die Diskussionen, die Einreichungen, die Menschen – das alles hat mich inspiriert, irritiert, herausgefordert, gelegentlich verwirrt, aber immer beschäftigt. Würde ich es wieder machen? Auf jeden Fall. Ich habe Menschen kennengelernt, auf die ich mich auch im kommenden Jahr aufrichtig freuen würde. Zudem gibt es viele ausgezeichnete Kampagnen, die wirklich etwas bewegen. Ideen, die gesellschaftlich relevant sind, die Menschen berühren, Gemüter erregen, Diskussionen anstoßen und die ausgezeichnet sind und aus dem Grund auch ausgezeichnet werden sollten. Dafür braucht es Plattformen wie den ADC.
Ihr:e Ansprechpartner:in
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zebra | group GmbH
Michael Dunlap
Head of Kreation