Vom E-Commerce-Champion zur anfassbaren Marke
zebra-Geschäftsführer Joerg Fieback (unten) im Interview mit drei Machern von smow: Toni Piskač, Jörg Meinel und Michael Petersen (v. l. n. r.) | Redaktion: Anke Kotte | Fotos: Mike Hillebrand
Exklusivinterview über die crossmediale Erfolgsstory von smow
Ein Hidden Champion aus Leipzig, der nie stillsteht und jetzt, da alle Welt auf Online-Magazine setzt, ein Print-Magazin produziert: smow bürstet gerne gegen den Strich und mischt die Möbel-Branche damit auf - redaktionell unterstützt von der zebra | group. zebra-Geschäftsführer Joerg G. Fieback hat sich mit drei Machern von smow, Jörg Meinel, Michael Petersen und Toni Piskač, nach getaner Arbeit noch einmal zusammengesetzt.
Joerg Fieback: Euer erstes Magazin ist gedruckt und liegt in den Läden aus. Würdet ihr das ganze nochmals angehen?
Jörg Meinel: Auf jeden Fall. Auch wenn uns Corona bei der Verbreitung einen Strich durch die Rechnung gemacht hat.
Toni Piskač: Die Branche hat neugierig geschaut. Nach dem Motto, smow spricht das erste Mal über sich, seine Referenzen und Projekte.
JF: Manchen mag wundern, dass ihr nicht auf ein digitales Magazin gesetzt habt, schließlich ist das eure Welt.
Michael Petersen: Das wäre naheliegend gewesen, aber wir sind experimentierfreudig. Ähnlich wie damals, als wir uns aus der Kühle eines Onlineshops heraus gefragt haben, wie würde das Geschäft wohl mit einem Laden funktionieren?
JF: Aus der Idee wurden 14 Stores in 13 Städten…
MP: Genau. Und ähnlich experimentieren wir jetzt aus dem vom Algorithmus getriebenen Marketing heraus mit dem Thema Projekte. Das lässt sich in seiner Komplexität online nicht darstellen. Bei Projekten musst du mehr transportieren, als ein paar Möbel zu zeigen. Ein anderes Medium ist da ein spannendes Versuchsfeld.
Magazin mit smow-Effekt
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JF: Ihr seid vor allem durch den sehr erfolgreichen Onlineshop bekannt, habt 14 Stores über ganz Deutschland verteilt. Was hat euch zu dem Magazin motiviert?
JM: Uns trieb um, dass wir nichts hatten, das in einer gut gemachten Form über unsere Kunden und Projekte berichtet, denn es gibt eine enorme Nachfrage. Uns war klar, wir brauchen ein Tool, mit dem wir neue Kunden gewinnen können, indem wir erzählen, was wir getrieben haben. Wir haben uns zunächst selbst daran versucht und daraus reifte die Idee einer Referenz-Broschüre. Kein Referenz-Grab, sondern etwas, das die unterschiedlichen Qualitäten abbildet, die wir mitbringen. Wir haben uns mit unserem internen Marketing abgestimmt, und uns war schnell klar, dass wir das mit unseren Kapazitäten alleine nicht abbilden können.
JF: Obwohl ihr ein starkes Marketing habt …
JM: … aber da liegt der Fokus extrem auf Online. Das Magazin ist davon völlig losgelöst. Das können wir inhaltlich und formal nicht stemmen. Dann ging die Suche los. Bei einer ersten Angebotsabfrage sind wir auf mäßiges Engagement der Agentur getroffen, das war ein Ableger einer Münchener oder Hamburger Bude. Zu diesem Zeitpunkt hatte ich aber so viel Futter und so viel Frust gesammelt, dass ich dachte, wir wagen es. Und dann kamt ihr. Wir hatten gleich den Eindruck, ihr zebras seid von der Idee begeistert.
TP: Ein entscheidendes Kriterium war, dass wir alle das Gefühl hatten, das passt menschlich wunderbar zusammen. Dadurch entstehen besondere Sachen. Wenn wir mit irgendjemandem oder nur mit uns selbst gearbeitet hätten, hätten wir Texte und Bilder zusammengebracht, ohne diese Qualität zu erzielen. Ihr schaut von außen ganz anders drauf und seid als Agentur nicht nur Umsetzer, Grafiker oder Texter, sondern ihr habt aus dem ganzen Ding ein Konzept gemacht. Das ist die besondere Leistung. Das geschieht nicht immer, das ist eher ungewöhnlich. Bei diesem Projekt ging es um Reibung, damit daraus etwas Eigenes entsteht.
Jörg Meinel ist immer in Bewegung. Früher war er im Außendienst für Vitra unterwegs, seit 2002 in eigener Sache. Er eröffnete am Leipziger Burgplatz gemeinsam mit Martina Stadler ein Geschäft für Designmöbel, das den Namen smow trägt. 2008 ging der Webshop smow.de live, seit 2012 gibt es smow auch außerhalb Sachsens. Jetzt geht Jörg mit smow offensiv ins Projektgeschäft. Er ist überzeugt, man findet immer die Partner, die zu einem passen.
JF: Das war wie eine gemeinsame Redaktionsarbeit. Mein Team hat es beflügelt, dass ihr ihnen den Raum gegeben habt, mit ungewöhnlichen Ideen zu kommen. Auch dass ihr spontan den Fotografen Olaf Martens engagiert habt, der ja eher in der Kunst verortet ist, um euren Spirit darzustellen.
TP: Das macht das Magazin sehr individuell, damit erzählen wir super persönliche Geschichten. Das ist genau das, was wir erreichen wollten. Für manch einen wirkt die Besinnung auf dieses haptische Medium vielleicht ein bisschen oldschool. Menschen zu erreichen funktioniert am besten auf diese emotionale, physische Art. Die Stühle, auf denen wir hier sitzen berühren uns im wahrsten Sinne des Wortes auch auf diese Weise.
JF: Die Form, wie das Ganze aussehen soll, hat sich erst im Laufe der Zusammenarbeit entwickelt.
TP: Es ging uns nicht um die Produkte, also die Stühle oder Tische. Die laufen online hervorragend. Im Magazin geht es um Projekte, um die partnerschaftliche Zusammenarbeit mit unseren Kundinnen und Kunden an einem Ziel, das über die eigentliche Einrichtung hinausgeht. Das hat natürlich am Ende mit Raum zu tun. Aber es geht vor allem um die Organisation und Kultur einer Firma, die zum Beispiel einen Umzug plant oder mit dem Thema hybrides Arbeiten umzugehen lernt. Wir wollten auf keinen Fall eine Referenz-Broschüre, in der Fotos und Fakten aneinandergereiht sind und wo am Ende alles gleich aussieht. Wir wollten erzählen, worum es im Projekt eigentlich geht – die Zusammenarbeit zwischen den Menschen.
JF: In euren Projekten steckt immer eine unternehmerische Geschichte, denn ihr begleitet die Firmen bei einem wichtigen Thema.
TP: So ein Projekt hat vor allem mit dem künftigen Erfolg des Unternehmens zu tun. Der eigentliche Sinn des Projekts ist, dass man fragt: ‚Wie kann ich dir durch den Rahmen, den wir schaffen, dabei helfen, erfolgreich zu sein? Entscheidend ist, dass du mitarbeitest.’ Anders geht es gar nicht.
JM: Wir haben in unseren Stores viel Projekterfahrung und mit Toni und seiner Firma tnpx unschätzbar wertvolle Projektkompetenz. Dazu kommt, dass wir die Möglichkeit haben, dass der Laden in Köln den Münchnern bei einem Projekt unter die Arme greift oder die Schwarzwälder in Stuttgart bei einer Planung Input liefern. Das Ganze ist ein selbstlernendes und sich gegenseitig befruchtendes Netzwerk.
Toni Piskač verbindet den Pragmatismus des Handwerks mit den Ideen, wie sich Räume als Orte der Inspiration und der Kreativität zum Leben und Arbeiten in zeitlosem Design entwerfen lassen. Der gelernte Tischler und studierte Innenarchitekt war lange Jahre Head of Workplace Consulting & Space Planning bei Vitra und hat vor ein paar Jahren seine eigenen Beratungs- und Planungsfirma tnpx gegründet. Er sagt: „Unser Anspruch ist es, Menschen eine Heimat und Firmen ein Gesicht zu geben.“
JF: Die Stores selbst sind auch eine noch junge Erfolgsgeschichte.
MP: Bei uns entsteht viel aus dem Experiment heraus. Jörg sprach mich vor Jahren wegen seiner Online-Idee an. Er hatte damals zwei Läden und wollte online gehen. Ich war Geschäftsführer bei Spreadshirt, einem E-Commerce Unternehmen hier in Leipzig, das sich vom studentischen Start-up zur erfolgreichen Firma entwickelt hatte.
JM: Ich wollte Möbel online verkaufen. Das gab es für diese hochwertige Kategorie so noch nicht. Uns war bald klar, da müssen wir unsere Kompetenzen zusammenwerfen.
JF: Die Läden hießen bereits smow und jetzt kommt labelfarm dazu.
MP: smow und labelfarm ist mittlerweile eins. Ursprünglich wollte ich mit labelfarm für andere Firmen Produkte online vermarkten. Möbel sollten eine Art Pilotprojekt sein. Es war eine Überraschung, dass die Möbel so gut anliefen. Wir haben noch ein paar andere Kunden betreut, aber bald war klar, um das Thema ernsthaft rüberzubringen, müssen wir mehr smow sein.
JF: Was meinst du damit?
MP: Das, worauf wir hier sitzen, ist nicht nur ein Sitz mit vier Beinen. Da steckt eine Story dahinter. Wenn ich mir früher einen Schreibtisch gekauft habe, habe ich nicht darüber nachgedacht, was einen Vitra-Schreibtisch von einem aus dem Baumarkt unterscheidet. Da hat sich bei mir persönlich der Blick gewandelt.
Michael Petersen ist der Mann der Zahlen. Er ist das Mastermind hinter dem smow-Onlineshop, Dieser wurde mit von ihm gebootstrapped. Wenn sein Kompagnon Jörg ihn überzeugt, lässt sich Michael mit Elan auf dessen Experimente ein. Zudem ist er am Leipziger Venture-Capital-Fonds (VC) Smart Infrastructure Ventures auf Talentsuche.
JF: Lasst uns über eure unterschiedlichen Standbeine sprechen. Erst die beiden Läden in Leipzig und Chemnitz, dann der Durchbruch mit dem Onlineshop und dann geht ihr mit weiteren Stores in die Offensive.
MP: Ja, das Experiment mit den physischen Läden war krass.
JM: 2002 gab es nur meinen Laden in Leipzig, dann kam Chemnitz, 2008/9 fing online an. Damals sagte ein Hersteller zu mir: ‚Meinel, kauf dir ein gescheites Auto, statt deine Kohle in online zu versenken. Das klappt sowieso nie. Das erleben wir nicht mehr, dass Möbel online bestellt werden.‘ Damals waren wir mit die Ersten, die den Sprung gewagt haben und dann 2012/13 waren wir die Ersten, die den Sprung zurück zu offline, zu echten Läden, gemacht haben. Online sind in der Zwischenzeit einige nachgezogen und es gab Neugründungen, die rein aufs Online-Geschäft bauen. Aber dann wieder von online nach offline zu gehen, das hat keiner gemacht.
JF: Michael sprach von einer krassen Erfahrung. Hast du das auch so empfunden?
JM: Ja. Wir haben zum ersten Mal an einem funktionieren Wirtschaftskreislauf im Westen teilgenommen. Wir sind in Stuttgart mit einem Laden angetreten, der funktionierte. Wir konnten unserem Partner vor Ort sagen, wir sind online sehr präsent und du kannst davon profitieren.
MP: Das war das Krasse für mich, dass die Online-Mechanismen in einem Laden funktionieren.
TP: Das ist etwas, das die ganze Branche negiert hat …
JM: … das war sogar für mich neu.
TP: Bis dahin galt noch immer, teure Marken kannst du nicht online verkaufen. smow hatte gezeigt, dass es funktioniert. Das Geniale war, dass Menschen, die ihre Möbel bereits online bei smow ausgesucht hatten, in einen smow Laden gehen und sich dort aufs Sofa setzen konnten, um sich von der Qualität zu überzeugen.
MP: Auf einer Webseite kann man viel mehr Schein als Sein transportieren und hier hatten sie es zum Anfassen. Das meine ich, wenn ich sage, das Online-Geschäft auch offline zu transportieren. Die Kundinnen und Kunden, die in den Laden kamen, waren überzeugt, dass es ihn schon lange gibt, denn sie kannten smow seit Jahren von den oberen Plätzen in ihrer Suchabfrage. Sie hielten smow für einen Platzhirsch. Nach diesem Muster entwickelten sich auch unsere weiteren Stores.
JF: Euch Neulinge hielt man für Platzhirsche? Ihr habt die Alteingesessenen einfach überholt?
MP: Das kommt sicher auch daher, wie unsere Klientel recherchiert und dass die Kundinnen und Kunden oft neu in eine Stadt kommen. Da spielen Alteingesessene keine entscheidende Rolle.
JM: Das aktuelle Online-Bild ist das, was der Markt hergibt.
TP: Das Konzept funktioniert. Die Corona-Pandemie war der Härtetest. Da wurde offensichtlich, Händlern ohne Online-Geschäft geht es nicht gut und reinen Online-Händlern geht es zwar im Moment gut, aber die Frage ist, wie lange.
JM: Deren Problem ist, dass sie meist nicht profitabel sind.
TP: Jetzt zeigt sich, dass beide Geschäftsfelder zusammen funktionieren, dass sie sich gegenseitig befruchten. Jörg sagt immer: Wir spülen Kundinnen und Kunden in die Läden. Online lenkt die Leute.
JF: Eure Standorte sind Tochtergesellschaften mit eigenständig handelnden Geschäftsführerinnen und Geschäftsführern. Weshalb habt euch gegen ein Franchise-Modell entschieden?
JM: Die Frage ist doch, welche Organisationsform ist belastbarer? Top-down oder eine Art selbstlernende bzw. selbstmotivierende Organisation? Letztere ist zwar schwieriger zu steuern, denn vor Ort kümmern sich die Leute selber, wir sind da außen vor. Sie probieren Dinge aus und behalten das nicht für sich, sondern lassen alle daran teilhaben. Ich halte diese Form für krisenfester und widerstandsfähiger.
MP: Das smow-Magazin ist dafür ein schönes Beispiel. Wir können und wollen so ein Projekt nicht einfach durchdrücken. Aber wenn es um Vertriebsthemen geht, in denen wir Potenzial sehen, haben wir gegenüber den Kolleginnen und Kollegen vor Ort viele Freiheiten. Wir sehen das gedruckte Magazin als ein Instrument, um einen Push für das Projekt-Thema zu erzeugen. Wir stellen den Instrumentenkasten zur Verfügung und jetzt haben sie in München, Stuttgart oder Hamburg mehr Instrumente zur Hand für ihr Projektgeschäft.
JF: Vielen Dank an euch drei für eure Zeit und die interessanten Einblicke in euer Geschäftsmodell. Ihr habt mit smow wirklich eine sehr spannende – wir würden sagen „digitalreale” – Marke aufgebaut. Ich wünsche euch viel Erfolg weiterhin bei allem, was ihr anpackt!