
Kulturhauptstadt Chemnitz – zwischen Ruf und Realität
Chemnitz verändert sich – und mit der Stadt auch die Perspektiven auf sie.
Der 15. Perspektivwechsel, ein exklusives Event der DZ Bank und der regionalen Volks- und Raiffeisenbanken, fand das erste Mal im Osten der Republik statt. Rund 350 Gäste waren geladen. Unter dem Thema „Kulturhauptstadt Chemnitz – zwischen Ruf und Realität“ kamen Dr. Florence Thurmes, Generaldirektorin der Kunstsammlungen Chemnitz, und Joerg Fieback, Gründer und Geschäftsführer der zebra | group, im Kraftverkehr Chemnitz zusammen und sprachen über neue Perspektiven auf Chemnitz als Kulturhauptstadt Europas 2025. Moderiert wurde die Veranstaltung von Christian Sievers, bekannt aus dem ZDF-heute-Journal.
Großer Dank geht an Souad Benkredda, Mitglied des Vorstands der DZ BANK AG, deren eröffnende Worte uns daran erinnerten, dass Chemnitz oft unterschätzt wird und dass der Kulturhauptstadt-Titel eine riesige Chance darstellt, die Vielfalt und das Potenzial dieser Stadt zu zeigen. Ihre einleitenden Worte haben uns klar gemacht, wie bedeutend gesellschaftliches und kulturelles Engagement ist und wie Kunst und Kultur unsere Offenheit, Kreativität und geistige Beweglichkeit fördern.

C the Unseen
Christian Sievers betonte die Bedeutung des Mottos und fragte die Gäste, was das „Unseen“ in Chemnitz sei. Dr. Florence Thurmes empfahl die Wandgemälde von Max Klinger und Neo Rauch im Rathaus sowie das Schlossbergmuseum, das mit seiner historischen Architektur und Kunstwerken zu begeistern vermag. Joerg Fieback hob Orte der Subkultur hervor: das Weltecho und das Atomino, die spannende und oft übersehene kulturelle Erlebnisse zu bieten haben.
„Das Schöne am ‚C‘ ist diese Mehrdeutigkeit. Die Aufforderung hinzuschauen ist gleichzeitig eine Einladung zum Entdecken. Chemnitz ist schließlich die meistunterschätzte Stadt Deutschlands. Das hat viel mit Nicht-Gesehen-Werden zu tun. Das wird sich aber definitiv in diesem Jahr ändern.“

In diesem Zusammenhang betont Fieback auch, dass die Aktivitäten im Kulturhauptstadtjahr weit über die Stadtgrenzen hinausgehen. Neben Chemnitz selbst beteiligen sich 38 Kommunen aus den Landkreisen Zwickau, Mittelsachsen und dem Erzgebirgskreis. Es sind internationale Partner aus 40 Ländern dabei. Die Organisatoren rechnen mit rund 2 Millionen Besuchern.
Was bleibt nach diesem Jahr?
Ein Projekt stellt der „Purple Path“ dar, der am 11. April offiziell eröffnet wurde. Dabei handelt es sich um einen Kunst- und Skulpturenweg durch die Region, welcher auf Dauer angelegt und seine Anziehungskraft in den nächsten Jahren weiter entfalten wird.
Dr. Florence Thurmes ist in Luxemburg geboren und hat eine vielfältige und langjährige Berufserfahrung in der Leitung von Sammlungen, im Kuratieren von Ausstellungen als auch in der Konzeption von Teilhabeformaten. Nach ihrem Studium der modernen und zeitgenössischen Kunst und ihrer Doktorarbeit in Frankreich arbeitete sie viele Jahre als Kuratorin in Luxemburg und Deutschland. Als amtierende Generaldirektorin der Kunstsammlungen Chemnitz ist sie im Freistaat Sachsen bestens vernetzt.
„Wir befinden uns in einer Zeit, die weltweit durchaus turbulent und gespalten ist. Angst, Migration, Entmenschlichung sind nur einige der Themen, die uns beschäftigen und die wir über das Kunst- und Kulturangebot in unserer Stadt sichtbar machen können. Nicht, dass wir die Themen direkt adressieren, sondern die Möglichkeiten haben, im Museum kulturelle Bildung zu machen und verschiedene Themen mit anzusprechen", so Dr. Florence Thurmes, überzeugt davon, dass die Kulturhauptstadt langfristig etwas bringt.
Folgende Themen spiegeln die vielfältigen Facetten ihrer Arbeit und ihre Ansichten zur Rolle der Kunst und Kultur in unserer Gesellschaft wider:
1. Chemnitz als Kunststadt: Florence Thurmes spricht über die umfangreichen und wertvollen Kunstbestände in Chemnitz, darunter von international bedeutenden Künstlern wie Karl-Schmidt-Rottluff und Otto Dix. Das Bewahren und Verwalten dieser Werke sieht sie als kulturelle Verantwortung.
2. Diversifizierung des Publikums: Florence Thurmes betont, wie wichtig es für das Museum ist, Programme zu entwickeln, die möglichst viele Menschen ansprechen. Dies schließt verschiedene Altersgruppen, Geschlechter und auch eine postmigrantische Gesellschaft ein. Es ist eine Herausforderung, ein Programm zu gestalten, das sowohl junge als auch ältere Menschen anspricht und gleichzeitig auf Themen wie Gendergerechtigkeit und kulturelle Vielfalt eingeht.
3. Gesundheit und Wohlbefinden durch Kunst: Kunst hat nachweislich positive Auswirkungen auf Gesundheit und Wohlbefinden. Thurmes bezieht sich auf spannende Studien, die zeigen, dass Museumsbesuche gegen Isolation und Demenz helfen können. In Ländern wie Belgien und Kanada wird der Museumsbesuch sogar als Therapie verschrieben.
4. Chemnitz als Schwarmstadt: Thurmes hebt hervor, dass Chemnitz mittlerweile eine attraktive Stadt für junge Menschen, eine sogenannte Schwarmstadt, geworden ist. Dies zeugt von einer positiven Dynamik und Entwicklung der Stadt, die auch auf die kulturellen Initiativen und Angebote zurückzuführen ist.
„Ich finde schön, dass man hier so vielen Menschen begegnet, die so stark für ihre Stadt kämpfen. Das habe ich in keiner anderen Stadt in Deutschland so erlebt wie hier."

Es seien nicht nur die anfassbaren Dinge, laut Fieback: „Die Chemnitzer werden aus diesem Kulturhauptstadtjahr mit einem ganz anderen Selbstbewusstsein rausgehen. Sie werden sich nicht wie früher im ICE-Abteil wegducken, wenn die Frage kommt: „Wo kommst du eigentlich her?” Damit wäre aus meiner Sicht auch schon eine ganze Menge erreicht, wie ich finde.“
Joerg G. Fieback ist Co-Gründer & CEO der zebra | group aus Chemnitz und Dresden. Die Agenturgruppe ist die größte ostdeutsche Kommunikationsagentur. zebra unterstützte die Kulturhauptstadt-Bewerbung der Stadt Chemnitz maßgeblich mit. Aktuell engagiert sich sein Team auch für das internationale Lichtkunstfestival „Light our Vision“. Außerdem ist Fieback Vorstandsmitglied des Branchenverbands GWA sowie Mitinitiator der Initiative Ideenplanet Ost.
Im Nachgang des Gesprächs bringt Fieback seine fünf wichtigsten Thesen noch mal auf den Punkt:
1. Chemnitz ist die meistunterschätzte Stadt Deutschlands – und genau das ist ihre größte Chance. Zwischen Vergangenheit und Aufbruch, Industriegeschichte und Subkultur entsteht ein urbaner Entwurf, der Großstadt-Infrastruktur mit kleinstädtischer Nähe vereint.
2. Kultur ist in Chemnitz kein Aushängeschild – sie ist Bewegung, Haltung und Zukunftsstrategie. Mit über 1.000 Veranstaltungen, internationalen Partnern und Projekten wie dem Purple Path wird 2025 nicht nur gefeiert, sondern nachhaltig gestaltet.
3. Die Transformation der Stadt ist mehr als Strukturwandel – sie ist ein Perspektivwechsel. Was früher unterschätzt oder übersehen wurde, tritt heute selbstbewusst ins Licht. Chemnitz entdeckt sich neu – künstlerisch, wirtschaftlich, europäisch.
4. Die Energie in Chemnitz kommt von innen – von Menschen, die an ihre Stadt glauben. Was hier entsteht, ist keine Imagekampagne, sondern eine Bewegung: getragen von Machern, Kulturschaffenden und Unternehmen, die aus Visionen Wirklichkeit machen.
5. „C the Unseen“ ist nicht nur ein Slogan – es ist eine Einladung. Eine Einladung, das Verborgene sichtbar zu machen. Für sich selbst, für andere, für Europa. Wer in Chemnitz hinschaut, sieht mehr als man erwartet.
Danke nochmals an alle Beteiligten für diesen Austausch und die begeisterten Gäste, vor allem der DZ Bank und den regionalen Volks- und Raiffeisenbanken für die Einladung zu dieser Veranstaltung. - (c) Raphael Heimann
Übrigens: Sein Speaker-Honorar hat Joerg Fieback an das Projekt HOPE Cape Town gespendet, welches wir schon seit vielen Jahren unterstützen.
Ihr:e Ansprechpartner:in
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zebra | group GmbH
Joerg G. Fieback
Geschäftsführender Gesellschafter